Donnerstag, 24. August 2006

Charlie und die Coca-Cola-Fabrik

Ein Gruppe Jungjournalistinnen auf der Jagd nach dem geheimen Coke-Rezept


Ein bisschen enttäuschend ist es schon: Keine Umpa Lumpas wuseln und wurlen durch die Fabrikshallen von Coca-Cola. Auch ihre Lieder sind nirgends zu hören. Zugegeben, die arbeitsamen Pygmäen aus dem Film „Charlie und die Schokoladenfabrik“ wären nicht einmal zu hören, wenn sie einem direkt ins Ohr schreien würden. Der Lärm der Maschinen, die jährlich 350 Millionen Liter Limonaden in Dosen und Flaschen abfüllen, übertönt alles. Es sind auch nicht tausende Umpa Lumpas, die Coca-Cola, Fanta und Co. herstellen und abfüllen, sondern 130 Mitarbeiterinnen mit weißen Mänteln und neongelben Kapperln – ein Outfit, das nur halb so lustig ist wie jenes der kleinen Helferlein.

Der Auftrag: Gather Information
Eine Betriebsreportage über die Abfüllanlage von Coca-Cola in Wien zu schreiben – so lautet die Vorgabe für die Lehrredaktion der Solidarität. Neun angehende Journalistinnen in Begleitung des Lehrredaktionsleiters Fritz Luger stehen mit dem goldenen Ticket vor den Toren der Coca-Cola Beverages Austria in der Triester Straße in Wien. Sie wollen die Geheimnisse der Fabrik in der Triester Straße in Wien lüften, eventuell sogar die mythenumrankte Coca-Cola-Rezeptur klären.

Unter der Führung von – nein, nicht Willy Wonka – Produktionsleiter Michael Lutz zieht die Gruppe durch die Hallen. Riesige Maschinen, auf deren Fließbändern tausende Flaschen aneinander stoßen und scheppern und klirren, auf dem gefliesten Boden überall Wasserlacken (warum keine Coca-Cola-Pfützen?), Chrom und Stahl und die Atmosphäre einer Molkerei. Trotz eindringlicher Warnungen zu Beginn der Tour – Vorsicht, rotierende Teile, heiße Flüssigkeiten, Staplerverkehr – strömt die Gruppe schon beim Betreten der Fabrikhalle in alle Richtungen. Die einen fotografieren hier die Flaschen und Dosen auf dem Fließband, die anderen führen dort Interviews mit vereinzelten Arbeitern.

Das Geheimrezept
Letztlich versammelt Michael Lutz – bereits leicht genervt – die Truppe um einen kupferfarbenen Tank. Darin blubbert und schäumt es. Hier also werden die Zutaten für Coca-Cola zusammen gemischt. Was kommt denn jetzt in das geheimnisvolle Getränk?

„Das kann ich nicht sagen“, bremst Michael Lutz die Neugierde. „Nicht weil ich nicht will, sondern weil ich es selbst nicht weiß. Wir bekommen das Coca-Cola-Konzentrat in versiegelten Containern geliefert und mischen es hier mit Wasser, Zucker und Kohlensäure.“ Enttäuschung macht sich breit, allerdings nur kurz, dann stürzt sich die Lehrredaktion wieder ins Getümmel, immer auf der Jagd nach dem perfekten Bild.

Lustige Zeiten bei Coca-Cola
Bei Coca-Cola gibt es nicht nur lustige Zeiten. In den letzten zehn Jahren ist ein Drittel der Belegschaft entlassen worden. Wenn Personalchef Roland Schrempf darüber spricht, dann im Konferenzraum. Auf dem Tisch stehen mehrere Platten mit belegten Broten und zahlreiche Flaschen aus dem Sortiment der Fabrik: Coca-Cola, Cappy, Römerquelle. Ein Bestechungsversuch für die Journalistinnen? „Nein“, beschwichtigt der Personalchef, „Wir haben im ganzen Haus Kühlschränke, aus denen die Bediensteten gratis Getränke nehmen können.“

Trotz Entlassungen alles eitel Wonne? Nur wenige Arbeiter sprechen hinter vorgehaltener Hand über Probleme wie mangelnde Kommunikation oder die entlassenen Kollegen. Niemand spricht über die Rolle des internationalen Coca-Cola-Konzerns im Zusammenhang mit Umweltverschmutzung in Panama, Pestizidfunden in Getränken in Indien oder Gewerkschafterermordungen in Kolumbien. In das Familienbild, das Coca-Cola Beverages Austria gern von sich zeichnet, passen diese Dinge nicht.

Fahler Nachgeschmack
Beim Ausgang der Fabrik drückt der Betriebsrat den Jungjournalistinnen ein Sackerl mit Kaffeetasse, Kugelschreiber und einer Flasche Coca-Cola in die Hand. Doch im Gegensatz zu „Charlie und die Schokoladenfabrik“ wartet nicht die gesamte Stadt am Tor, um zu erfahren, was sich drin ereignet hat.

Wieder auf der Triester Straße blicken sich die Besucherinnen gegenseitig an. Ihnen bleibt ein Gefühl wie beim Trinken von Coca-Cola: Viel Zucker und ein fahler Nachgeschmack – das kann doch nicht alles gewesen sein.

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