Lichtsonden

Sonntag, 8. November 2009

Suchtzuchtstationen

Ein voller Aschenbecher, eine Überwachungskamera, zwei Barhocker und zwei Spielautomaten: kein Vergleich mit dem Reiz eines echten Casinos. Und doch wird mit dem kleinen Glücksspiel in halbdunklen Minicasinos wie jenem in der Wiener Taborstraße ein Millionen-Umsatz gemacht. Mit 50-Cent-Stücken.

Nach Berichten in diesem Monatsblatt und dieser Tageszeitung hat mich die Neugierde gepackt: ein Selbstversuch mit Spielautomaten. Dabei ist der Reiz auf den ersten Blick nicht erkennbar: Das zwei mal eineinhalb Meter große Zimmer hat die Atmosphäre einer Abstellkammer, mühselig müssen einzelne 50-Cent-Stücke eingeworfen werden, die Gewinnchancen sind verschwindend, die einzigen Verbindungen zur Außenwelt sind die Überwachungskamera und eine Klingel, mit der man einen Kellner rufen kann. Völlige Isolation – rund um die Uhr frei zugänglich. Keine Öffnungszeiten. Keine Kontrolle durch Angestellte oder andere Gäste. Kein Tageslicht.

Zockerhöhlen wie diese sind perfekte Suchtzuchtstationen. Und das Geschäft mit dieser Spielsucht hat der Staat zum Teil an private Firmen abgetreten, die bessere Zahlen erwirtschaften, je mehr Süchtige es gibt …

Mittwoch, 4. November 2009

Generation Superpraktikum

In der Politik sollte es darum zu gehen, die Zeichen der Zeit zu erkennen und entsprechende Signale zu setzen - sollte. Denn was die Österreichische Volkspartei derzeit als "junge Kampagne" zu verkaufen sucht, schlägt dem Fass den Boden aus: Die Partei sucht den "Superpraktikanten", der eine Woche unbezahlt (!!!) für die Partei hackeln soll. Hallo, geht's noch?

Schon mal was von der Generation Praktikum gehört? Dass Tausende gut ausgebildete junge Leute unbezahlte Praktika machen müssen, weil es keine Arbeitsplätze für sie gibt? Weil sie von der Wirtschaft und vom Sozialwesen als billige Arbeitskräfte missbraucht und bei der ersten Gelegenheit rausgeworfen werden? Dass sie dadurch Lebenszeit verlieren und verspätet eine soziale Absicherung (Arbeitslose und Pension) kriegen?

Die ÖVP findet das wohl auch noch lustig, so wie sie die Kampagne verkauft, die Idee sei "genial, toll, extrem spannend", sagt Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP). Vielleicht passt es ja ganz einfach zur Linie der Partei. Aber dann soll sie sich auch bitte nicht christlich-sozial nennen, sondern einfach wirtschaftsliberal.

Donnerstag, 30. Juli 2009

Husch, husch, Hollerbusch

Biertisch unterm Hollerbusch, Rokoko-Figuren im Halbschatten, Slowfood-Burger vom Angus-Rind und Widerstand wie noch nie: Der Augartenspitz, der kleine verwunschene Garten bei mir ums Eck, ringt ums Überleben. Ein Konzertpalast für die Sängerknaben soll hier entstehen, wo derzeit noch wildes Busch- und Baumwerk zwischen kleinen Wirtschaftsgebäuden ein kleines bissl Natur bieten, direkt neben dem geometrisch vergewaltigten barocken Augarten (zum Glück gibt's die Flaktürme, die die Geometrie ordentlich zerwürfeln).

Mein Gott, was soll schon besonders sein an so einem kleinen Fleckerl Grün? Es ist doch nur ein weiteres Stückerl öffentlicher Raum, das kommerzialisiert wird, das nur für konsumkräftige Klienten zugänglich sein soll - siehe auch die missglückten Versuche im Museumsquartier. Wenn erst die Hollerbuschen weg sind, rollen hier Rubel, Dollar, Yen.

Geht es nach dem Bauträger, würden die Arbeiten für den Konzertkristall der Sängerknaben eher heute als morgen anfangen - noch ein Grund mehr, ein letztes Mal ins Kino wie noch nie zu gehen oder einfach nur einen Gspritzten unter Rosensträuchern zu trinken. Die zarte Melancholie über dem kleinen Garten, herbeigezaubert vom nahen Ende dieser Klause, passt hervorragend zur barocken Atmosphäre.

Donnerstag, 24. August 2006

Charlie und die Coca-Cola-Fabrik

Ein Gruppe Jungjournalistinnen auf der Jagd nach dem geheimen Coke-Rezept


Ein bisschen enttäuschend ist es schon: Keine Umpa Lumpas wuseln und wurlen durch die Fabrikshallen von Coca-Cola. Auch ihre Lieder sind nirgends zu hören. Zugegeben, die arbeitsamen Pygmäen aus dem Film „Charlie und die Schokoladenfabrik“ wären nicht einmal zu hören, wenn sie einem direkt ins Ohr schreien würden. Der Lärm der Maschinen, die jährlich 350 Millionen Liter Limonaden in Dosen und Flaschen abfüllen, übertönt alles. Es sind auch nicht tausende Umpa Lumpas, die Coca-Cola, Fanta und Co. herstellen und abfüllen, sondern 130 Mitarbeiterinnen mit weißen Mänteln und neongelben Kapperln – ein Outfit, das nur halb so lustig ist wie jenes der kleinen Helferlein.

Der Auftrag: Gather Information
Eine Betriebsreportage über die Abfüllanlage von Coca-Cola in Wien zu schreiben – so lautet die Vorgabe für die Lehrredaktion der Solidarität. Neun angehende Journalistinnen in Begleitung des Lehrredaktionsleiters Fritz Luger stehen mit dem goldenen Ticket vor den Toren der Coca-Cola Beverages Austria in der Triester Straße in Wien. Sie wollen die Geheimnisse der Fabrik in der Triester Straße in Wien lüften, eventuell sogar die mythenumrankte Coca-Cola-Rezeptur klären.

Unter der Führung von – nein, nicht Willy Wonka – Produktionsleiter Michael Lutz zieht die Gruppe durch die Hallen. Riesige Maschinen, auf deren Fließbändern tausende Flaschen aneinander stoßen und scheppern und klirren, auf dem gefliesten Boden überall Wasserlacken (warum keine Coca-Cola-Pfützen?), Chrom und Stahl und die Atmosphäre einer Molkerei. Trotz eindringlicher Warnungen zu Beginn der Tour – Vorsicht, rotierende Teile, heiße Flüssigkeiten, Staplerverkehr – strömt die Gruppe schon beim Betreten der Fabrikhalle in alle Richtungen. Die einen fotografieren hier die Flaschen und Dosen auf dem Fließband, die anderen führen dort Interviews mit vereinzelten Arbeitern.

Das Geheimrezept
Letztlich versammelt Michael Lutz – bereits leicht genervt – die Truppe um einen kupferfarbenen Tank. Darin blubbert und schäumt es. Hier also werden die Zutaten für Coca-Cola zusammen gemischt. Was kommt denn jetzt in das geheimnisvolle Getränk?

„Das kann ich nicht sagen“, bremst Michael Lutz die Neugierde. „Nicht weil ich nicht will, sondern weil ich es selbst nicht weiß. Wir bekommen das Coca-Cola-Konzentrat in versiegelten Containern geliefert und mischen es hier mit Wasser, Zucker und Kohlensäure.“ Enttäuschung macht sich breit, allerdings nur kurz, dann stürzt sich die Lehrredaktion wieder ins Getümmel, immer auf der Jagd nach dem perfekten Bild.

Lustige Zeiten bei Coca-Cola
Bei Coca-Cola gibt es nicht nur lustige Zeiten. In den letzten zehn Jahren ist ein Drittel der Belegschaft entlassen worden. Wenn Personalchef Roland Schrempf darüber spricht, dann im Konferenzraum. Auf dem Tisch stehen mehrere Platten mit belegten Broten und zahlreiche Flaschen aus dem Sortiment der Fabrik: Coca-Cola, Cappy, Römerquelle. Ein Bestechungsversuch für die Journalistinnen? „Nein“, beschwichtigt der Personalchef, „Wir haben im ganzen Haus Kühlschränke, aus denen die Bediensteten gratis Getränke nehmen können.“

Trotz Entlassungen alles eitel Wonne? Nur wenige Arbeiter sprechen hinter vorgehaltener Hand über Probleme wie mangelnde Kommunikation oder die entlassenen Kollegen. Niemand spricht über die Rolle des internationalen Coca-Cola-Konzerns im Zusammenhang mit Umweltverschmutzung in Panama, Pestizidfunden in Getränken in Indien oder Gewerkschafterermordungen in Kolumbien. In das Familienbild, das Coca-Cola Beverages Austria gern von sich zeichnet, passen diese Dinge nicht.

Fahler Nachgeschmack
Beim Ausgang der Fabrik drückt der Betriebsrat den Jungjournalistinnen ein Sackerl mit Kaffeetasse, Kugelschreiber und einer Flasche Coca-Cola in die Hand. Doch im Gegensatz zu „Charlie und die Schokoladenfabrik“ wartet nicht die gesamte Stadt am Tor, um zu erfahren, was sich drin ereignet hat.

Wieder auf der Triester Straße blicken sich die Besucherinnen gegenseitig an. Ihnen bleibt ein Gefühl wie beim Trinken von Coca-Cola: Viel Zucker und ein fahler Nachgeschmack – das kann doch nicht alles gewesen sein.

Freitag, 2. Juni 2006

El viento de cambio

Die Geschichte über Möglichkeiten der Entwicklungszusammenarbeit und die Crux mit der Aufmerksamkeit. Ein Teaser.

Varianten, um Inhalte zu vermitteln, gibt es zahlreiche. Zum Beispiel den Frontalvortrag, wie wir ihn etwa aus Schul- und Universitätstagen kennen. Oder schwarze Pädagogik mit Stockhieben, wie sie mit umgekehrtem Vorzeichen noch immer in der Millionenshow zum Einsatz kommt. Oder aber den moralischen Vorschlaghammer, besonders bevorzugt von Hollywood und Paulo Coelho.

Und dann gibt es noch die alternativen Vermittlungswege – und hier meine ich ausnahmsweise nicht e-learning.
Einen sehr eleganten Weg, jungen Menschen Gusto auf Fair Trade- und Bio-Produkte zu machen, beschreiten Silke Mock, Roland und Miriam Prugger – die Gründer des ersten Weltcafés in der Schwarzspanierstraße im 9. Wiener Gemeindebezirk. Seit November 2005 betreiben die drei das Weltcafé und bieten unter anderem exotische Kaffee- und Kakaomischungen an – von Zimt über Kardamom bis Guinea-Pfeffer (alles selbstredend fair gehandelt) landet da so allerhand in der Tasse.

Für eine getragene Präsentation hat sich das internationale Zentrum für Kultur- und Entwicklungszusammenarbeit Casa de los Tres Mundos in Nicaragua und das Lateinamerikainstitut bei seiner neuen Ausstellung „Tipitapa en las Zonas Francas“ entschieden. In Bild, Ton und Text zeigt die Schau das Leben der Arbeiterinnen und Arbeiter in der nicaraguanischen Stadt Tipitapa, die zu einem Gutteil in Sonderwirtschaftszonen, den so genannten Zonas Francas, arbeiten. Dass diese trotz der ersehnten Arbeit nicht den erhofften Wohlstand bringen, darüber spricht der Ausstellungskoordinator Alexander Barth.

All dies und noch mehr in dieser Sendung.

Dienstag, 30. Mai 2006

Urschrei der Hypermediokrität

Die Geschichte von Discofieber und den elitär-arroganten Implikationen. Eine Glosse.

Zuletzt stand erstmals A1 auf dem Abendprogramm. Nicht diese. Auch nicht dieses. Sondern dieser: Ein Discotanztempel in der Nähe des alten Frachtenbahnhofs von Linz. Ein Cocktail aus wissenschaftlicher Neugier und Hormonkarussell – beide gespeist von den bildreichen Schilderungen von A1-erfahrenen Freunden und Innen – war Grund genug, den Fuß auf fortgehtechnisches Neuland zu setzen. Und ganz ehrlich und mit den Worten eines Mannes mit Backenbart gesagt: Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!

Weil nämlich, die Diskothek hat beide Erwartungen erfüllt: Der Ästhet in mir ergötzte sich an den optischen Reizen der weiblichen Besucherschaft, der Sozialwissenschafter in mir untersuchte das seltsame Verhalten geschlechtsreifer Kleinstädter in Paarungstempeln: Mädchen mit schmalen Spaghettiträgern und umso tieferen Ausschnitten, mit der realen Aufschrift „Sexy“ auf der Brust und der imaginären Tätowierung „willig“ auf der Stirn; Burschen mit hantelgeprüfter Figur und haargelversiefter Frisur; Pärchen, die sich auch von den hunderten Anwesenden nicht vom beinahe subkutanen Ansexeln abhalten lassen; und letztlich (meine persönlichen Lieblingsstudienobjekte) die Übriggebliebenen, die ihre horizontalen Beckenambitionen vertikal, also durch Tanzen, ausleben mussten. Um einen Mann mit spitzen Ohren zu zitieren: Faszinierend!

Jetzt kommen aber noch die Nussstreusel auf diesem Coup Dänemark von einem Abend: Nämlich die elitär-arrogante Gewissheit, dass ich über diesem offensiv zur Schau getragene Mittelmaß – ergo Hypermediokrität – der Tanzfiebernden stehe. Quasi Egomassage des Überqualifizierten. Dass für jeden Besucher gleich auch seine Karikatur anwesend ist: Neben der dezent Geschminkten steht die Aufgebrezelte, neben dem Durchtrainierten der Steroidkandidat, neben der sexy Bekleideten eine, die man nur mit etwas Fantasie als noch nicht ganz nackt bezeichnen kann. Tres amusant, oder, um es mit den Worten eines Mannes mit großer Nase zu sagen: Schau’n Sie sich das an! Und zwar selber.

Dienstag, 2. Mai 2006

Herrgottnocheinmal Punkt at

Die Geschichten vom total abgespacten Leben der Brüder und Schwestern und von Werbung, die die Welt nicht braucht. Eine Glosse.

Es gibt da so Dinge im Leben, die einen in regelmäßigen Abständen zur Aussage bewegen: "Das muss ich nun wirklich nicht verstehen!" Zum Beispiel Chinesisch. Oder die Unschärferelation. Oder wenn die Unterrichtsministerin ankündigt, Ernährungserziehung an den Schulen künftig von Mc Donalds sponsern zu lassen - das ist ja so, als würde der Wolf den Schafen vegetarische Ernährung vermitteln.

In diese Kategorie fällt eine Werbeserie, die seit kurzem die Plakatwände der Stadt ziert: Angeblich flotte Sprüche wie "Die Kinder bringt der Storch. Und Orden sind Nonnen und Mönche in Kutten" in grauer Schrift auf weißem Grund verweisen auf folgende Internetseite mit der ansprechenden Adresse www.herrgottnocheinmal.at . Für alle, die zu faul sind, auf den Link zu klicken: Auf der sehr knapp gefassten Homepage erfährt der interessierte Leser, die interessierte Leserin, dass Ordensbrüder und -schwestern mehr machen als nur zu beten, nein, sie tun auch allerlei gutes und nützliches Zeug wie Alte, Kranke und Kinder betreuen und an Schulen unterrichten. Weltklasse. An dieser Stelle zwei erhobene Daumen für ausgezeichnete Leistung.

Jetzt bleibt allerdings die Frage: Wozu brauchen Mönche und Nonnen eine Imagekampagne? Laut der fast schon charmant unprofessionellen Homepage, weil die Darstellung der Ordensfrauen und -männer in Film, Literatur, Werbung etc. zu einseitig und vor allem nicht den Wünschen der katholischen Orden entsprechend ist.
Wenn ich an Nonnen und Mönche in Filmen denke, da fallen mir neben unglückseligen Streifen wie Sister Act und Sister Act II zunächst mal der trinkfeste und kampfbereite Bruder Tuck als treuer Gefährte von Robin Hood ein, dann die liebevoll "Pinguine" genannten Schwestern im Waisenheim des kleinen Satansbraten sowie - unvergesslich - die leicht durchgeknallte Schwester, die Louis de Funes alias den Gendarmen von St. Tropez in ihrem Beiwagenmotorrad querfeldein chauffiert. Unbedingt zu erwähnen ist das Benettonplakat mit einander küssendem Pater und Nonne.

Ja eh. Also doch ein nicht gerade ein sehr vielschichtiges Bild. Aber es gibt Berufsgruppen, die ein noch viel undankbareres Image haben. Zahnärzte zum Beispiel. Oder Polizisten. Und erst recht dunkle Zauberer! Wer kümmert sich um deren Ruf?!?

Jedenfalls bleibt der Eindruck, dass für sündhaft teure Plakatwerbung viel Geld verpulvert wurde, ohne eine wirkliche Botschaft zu haben. Vielleicht wollten die katholischen Orden auch einfach nur das Feld ihrer guten Taten um die Förderung der Werbewirtschaft erweitern.

Dienstag, 25. April 2006

Tschüs Vati, tschüs Mutti!

Die Geschichte vom Ende des bekocht Werdens und wie man mit seinen Eltern Schluss macht. Eine Glosse.

Das mit den Lebensabschnitten, das ist so eine Sache. Weil, mit jedem Ende einer und Beginn der nächsten Phase sind unzählige Veränderungen verbunden – Wechsel des Wohnortes, der Einkommenssituation, des Partners, aber vor allem des intellektuellen und emotionalen Innenlebens.

Ich stehe gerade am Ende einer Lebensphase. Vor kurzem die Diplomarbeit eingereicht und mit demnächst abzulegender und hoffentlich positiver Diplomprüfung bin ich alsbaldiger Akademiker. Diese Zäsur in meinem Leben bedeutet das Ende des angeblich so lustigen Studentenlebens und den Start in die harte Berufsrealität.

In der kurzen Ruhepause zwischen Diplomarbeit und –prüfung gebe ich mir den Luxus eines mehrtägigen Aufenthalts am elterlichen Hofe, einerseits aus purer Nostalgie, andererseits aus schlechtem Gewissen ob meiner langen Abwesenheit (Telefonanrufe Marke „Wann kommst denn wieder?“ haben letzteres verstärkt.).

Es kommt, was kommen muss: die herbe Ernüchterung. Die direkte Konfrontation mit der Welt meiner Kindheit und frühen Jugend zeigt, wie weit ich mich geistig und seelisch davon entfernt und entfremdet habe. Die Gespräche bleiben an der Oberfläche, die Kontakte halbherzig und die Nestwärme aus.

Einen schwierigen Erkenntnisprozess, lange Unterhaltungen mit Außenstehenden und viel Alkohol später steht der Entschluss fest: Es ist Zeit, junge Hunde zu töten (danke, Haruki Murakami, für diese wunderbare Metapher!) und die Familienbande zu kappen. Nur: Wie sag ich es meinen Eltern, dass ich mich von ihnen entfremdet habe, wo ich doch noch nicht mal meinen – mittlerweile Ex – Freundinnen genau und schonend sagen konnte, warum ich ceterum censeo relationem esse delendam, also der Meinung sei, die Beziehung sei zu beenden (frei übersetzt).

Vor meinem inneren Auge laufen mehr Vorstellungen als bei den Filmfestspielen in Cannes, wie nun dieses Kunststück zu bewältigen sei, den eigenen Eltern zu vermitteln, dass man in Zukunft getrennte Wege geht.

Die entschlossene Methode: Man packt alle persönlichen Sachen, die sich noch im elterlichen Haushalt befinden, und karrt sie in die eigene Wohnung. Nachteil: Erfordert logistisches Geschick und eine eigene Wohnung.

Die melodramatische Methode: In einem Schreiduell der Battle Royal-Klasse werfen sich Trennungswilliger und Eltern in einem last Stand die Fetzen um die Ohren, im Zweifelsfall kann das Familienporzellan zerschlagen werden (Uh! Vorsicht! Zweideutig!). Nachteil: Wenn man später auf die Hilfe der Eltern angewiesen ist (z.B. als Kreditgeber für die Wohnung, als Babysitter für das Enkelkind, zum Austauschen von Kochrezepten, etc.).

Die stille Methode: Man sagt und tut gar nichts und hofft darauf, dass die Eltern von selbst darauf kommen, dass man sich entfremdet hat und ihrerseits Schritte setzen. Nachteil: Eltern haben eine gewisse Resistenz, solche Dinge zu erkennen.

Die gesprächsorientierte Methode: Man setzt sich mit den Eltern an einen Tisch und schildert ihnen die Gemütslage inklusive aller Probleme und Problemchen und erklärt ihnen dann, warum die gemeinsame Zukunft eher mager ausschaut. Nachteil: Mit Eltern über Gefühle zu sprechen ist nicht jedermanns Sache.

Überraschenderweise (?) lassen sich sowohl die Grundkonstellation als auch die Lösungsvarianten auf Scheidungs- und sonstige Trennungswillige übertragen, einfach „die Eltern“ durch „den Freund“ / „die Freundin“, bzw. „die Frau“ / „den Mann“ ersetzen.

Und was die Geschichte mit meinen Eltern angeht: Ich fühle mich zur dialogorientierten Variante hingezogen, erstens, weil ich so mit ihnen „Freunde bleiben“ kann, und zweitens somit die Chance auf zukünftiges bekocht Werden weiterlebt.

Dienstag, 7. März 2006

Von Embryonen, Engelmacherinnen und Esoterik

Die Geschichte darüber, wie moderne Abtreibungskliniken funktionieren und warum es exkommunizierte Engelmacherinnen leichter haben. Eine Minireportage.

Mit einem mechanischen Bzzz öffnet sich die Glastür und man betritt die Rezeption, deren lichte, elegante geschwungene Möbel ihr eine luftige Leichtigkeit verleihen. Nur einige Broschüren auf dem Empfangstresen, Milchglasscheiben im Hintergrund und der obligatorische Gummibaum im Eck deuten darauf hin, dass man sich in einer medizinischen Einrichtung befindet. Ein Massagesalon, würde man sonst sagen. Oder eine Shin Tao Beratungsstelle.
Weit gefehlt. Es ist die Abtreibungsklinik Gynmed.
Glücklicherweise sind die Zeiten lange vorbei, wo in einem dunklen Hinterhof am Diamantengrund die alte Engelmacherin mit nicht ganz antiseptischem Werkzeug illegale Abtreibungen durchführte und gelegentlich statt einem Engel zwei machte, wie es im Lied „Die alte Engelmacherin“ von Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner heißt.
Wobei – so lange ist das auch noch nicht her. Seit 1. Jänner 1975 gilt in Österreich der Paragraph 97 des Strafgesetzbuches, besser bekannt als die Fristenlösung, die den Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate und – bei Bedrohung der körperlichen und psychischen Gesundheit der Mutter oder des Kindes – auch darüber hinaus legalisiert.
Mittlerweile gibt es in Österreich 27 Kliniken, die Abtreibungen durchführen, neun davon in Wien. Das Burgenland ist das einzige Bundesland ohne solche Institution. Jährlich nutzen Schätzungen zufolge 30.000 bis 40.000 zumeist junge Frauen die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs.
„Die meisten Frauen, die hierher kommen, haben sich bereits für die Abtreibung entschieden“, erzählt Dr. Christian Fiala, der Leiter der Gynmed Klinik. In den Beratungsgesprächen werden noch die unterschiedlichen Methoden und deren medizinische Wirkungsweise und mögliche unerwünschte Nebenwirkungen besprochen. Etwa die medikamentöse Variante mit der Abtreibungspille Mifegyne, die seit 1999 in Österreich zugelassen ist. Oder die chirurgischen Methoden durch Absaugung, bzw. Kürettage, also die Ausschabung der Gebärmutter.
Ein Schritt, von dem die einen abraten, die anderen abhalten wollen. Zu letzteren gehört die Gruppe „Human Life International“, die im besten Fall mit religiösen Argumenten, Bibelzitaten und aus medizinischer Sicht – euphemistisch gesagt – fragwürdigen „Beweisen“, im schlechtesten Fall mit Handgreiflichkeiten Personen am Betreten von Abtreibungskliniken wie der Gynmed hinderten. Die Betonung liegt auf „hinderten“. Denn ein von der SPÖ und ÖVP beschlossenes Wegweisungsrecht verbietet den selbsternannten Lebensrettern diese Form des Psychoterrors, wie es Dr. Christian Fiala nennt.
Dementsprechend ruhig präsentiert sich der Mariahilfer Gürtel, an dem die Gynmed Klinik liegt. Keine Demonstranten, keine Bibelprediger, keine Plastikembryonenwerfer. Die Abtreibungsgegner sind auf andere Methoden umgestiegen. „Ich erhalte regelmäßig Drohbriefe und –Emails“, bestätigt Dr. Fiala. Abtreibung sei eine Todsünde, jeder, der zu einem Schwangerschaftsabbruch beitrage – das können Ärzte, Krankenschwestern, aber auch der Partner und sogar der Taxler sein, der die Frau zur Klinik bringt – müsse laut Kanonischem Recht Nummer 1398 exkommuniziert werden.
Sollte Christian Fiala wirklich die Exkommunikation drohen, hat er zumindest eine Sorge weniger: Ihn kann dann nicht das Schicksal der alten Engelmacherin vom Diamantengrund ereilen, die nach ihrem Tod im Himmel von den anderen Engeln erschlagen wird.


Weiterführende Links:
www.gynmed.at
www.abtreibung.at
www.hli.at

Die Sendung zum Thema…

Freitag, 24. Februar 2006

Von Blinden, Tauben und Spatzen

Die Geschichte, warum der Wunsch, Journalist zu werden, bescheuert ist und warum Finger in den Ohren durchaus ihre Berechtigung haben. Eine Glosse.

Oh mein Gott! Worauf habe ich mich da eingelassen? Hätte ich doch nur auf meine Eltern und meinen Mathematikprofessor, auf meinen Beichtvater und meine Großstrumpftante gehört! Jetzt hat es mir einer offenbart, der es besser wissen muss. Nämlich der Chef der Journalistengewerkschaft, Franz C. Bauer: „Kann man jemandem mit ruhigem Gewissen empfehlen, Journalist zu werden? Die Antwort lautet: Nein!“
Und er präsentiert triftige Argumente. Angesichts der höchsten Arbeitslosigkeit bei Journalisten. Angesichts mangelnder Angebote von schlecht bezahlten oder gänzlich unvergüteten Praktika, die in einem rechtlosen Raum stattfinden, da weder Medienrecht noch Haftungsklauseln geklärt werden. Angesichts einer Medienkonzentration, welche die Meinungsvielfalt und den Qualitätsjournalismus saharagleich verdorren lässt.
Schön langsam wünschte ich, ich hätte den goldenen Boden des Handwerks unter den Füßen anstatt vor Augen die Vision, jemals ein Redakteur bei einem Medium zu werden. All die Studienjahre, die Praktika, die Ambitionen in den Wind gesetzt? All das Erwerben des technischen Know How, der stilistischen Feinschleifereien, des intellektuell-elitären Gehabes letztlich für den sprichwörtlichen Hugo? Per aspera ad astra – nur humanistisch-idealistisches Wunschdenken? Das ist wohl hauptsächlich eines: herb wie ein Sack voller Hopfen!
Aber von solchen Ratschlägen aufhalten lassen? Garantiert nicht! Aus zweierlei Gründen: Erstens, als Journalist irgendjemanden auch nur irgendetwas zu glauben, ist der größte (Anfänger-)Fehler, den man machen kann. Selber nachrecherchieren, andere Leute befragen, dann schaut die Sache schon ganz anders aus.
Also habe ich zum Beispiel mit Anneliese Rohrer von der FH für Journalismus gesprochen. Und die sagt Praktika keilen, keilen, keilen. Und Erfahrung dazu, egal um welchen Preis.
Zweitens, vor Hindernissen zu kapitulieren ist nicht nur eine Untugend im Journalismus, sondern allgemein. Wenn man sie schon nicht überwinden kann, dann zumindest Alternativen suchen, Hintertüren, Eigeninitiative ergreifen. Kurzum: Frechheit siegt, und Kreativität hat auch noch keinem geschadet (abgesehen von Van Gogh, aber ob da die Kreativität schuld an der Geschichte mit seinem Ohr ist?).
Also: Danke für die gut gemeinten Ratschläge! Aber ich bleib bei meinem Samuel Beckett:

Schon mal versucht.
Schon mal versagt.
Macht nichts.

Wieder versuchen.
Wieder versagen.
Besser versagen.

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