Dienstag, 25. April 2006

Tschüs Vati, tschüs Mutti!

Die Geschichte vom Ende des bekocht Werdens und wie man mit seinen Eltern Schluss macht. Eine Glosse.

Das mit den Lebensabschnitten, das ist so eine Sache. Weil, mit jedem Ende einer und Beginn der nächsten Phase sind unzählige Veränderungen verbunden – Wechsel des Wohnortes, der Einkommenssituation, des Partners, aber vor allem des intellektuellen und emotionalen Innenlebens.

Ich stehe gerade am Ende einer Lebensphase. Vor kurzem die Diplomarbeit eingereicht und mit demnächst abzulegender und hoffentlich positiver Diplomprüfung bin ich alsbaldiger Akademiker. Diese Zäsur in meinem Leben bedeutet das Ende des angeblich so lustigen Studentenlebens und den Start in die harte Berufsrealität.

In der kurzen Ruhepause zwischen Diplomarbeit und –prüfung gebe ich mir den Luxus eines mehrtägigen Aufenthalts am elterlichen Hofe, einerseits aus purer Nostalgie, andererseits aus schlechtem Gewissen ob meiner langen Abwesenheit (Telefonanrufe Marke „Wann kommst denn wieder?“ haben letzteres verstärkt.).

Es kommt, was kommen muss: die herbe Ernüchterung. Die direkte Konfrontation mit der Welt meiner Kindheit und frühen Jugend zeigt, wie weit ich mich geistig und seelisch davon entfernt und entfremdet habe. Die Gespräche bleiben an der Oberfläche, die Kontakte halbherzig und die Nestwärme aus.

Einen schwierigen Erkenntnisprozess, lange Unterhaltungen mit Außenstehenden und viel Alkohol später steht der Entschluss fest: Es ist Zeit, junge Hunde zu töten (danke, Haruki Murakami, für diese wunderbare Metapher!) und die Familienbande zu kappen. Nur: Wie sag ich es meinen Eltern, dass ich mich von ihnen entfremdet habe, wo ich doch noch nicht mal meinen – mittlerweile Ex – Freundinnen genau und schonend sagen konnte, warum ich ceterum censeo relationem esse delendam, also der Meinung sei, die Beziehung sei zu beenden (frei übersetzt).

Vor meinem inneren Auge laufen mehr Vorstellungen als bei den Filmfestspielen in Cannes, wie nun dieses Kunststück zu bewältigen sei, den eigenen Eltern zu vermitteln, dass man in Zukunft getrennte Wege geht.

Die entschlossene Methode: Man packt alle persönlichen Sachen, die sich noch im elterlichen Haushalt befinden, und karrt sie in die eigene Wohnung. Nachteil: Erfordert logistisches Geschick und eine eigene Wohnung.

Die melodramatische Methode: In einem Schreiduell der Battle Royal-Klasse werfen sich Trennungswilliger und Eltern in einem last Stand die Fetzen um die Ohren, im Zweifelsfall kann das Familienporzellan zerschlagen werden (Uh! Vorsicht! Zweideutig!). Nachteil: Wenn man später auf die Hilfe der Eltern angewiesen ist (z.B. als Kreditgeber für die Wohnung, als Babysitter für das Enkelkind, zum Austauschen von Kochrezepten, etc.).

Die stille Methode: Man sagt und tut gar nichts und hofft darauf, dass die Eltern von selbst darauf kommen, dass man sich entfremdet hat und ihrerseits Schritte setzen. Nachteil: Eltern haben eine gewisse Resistenz, solche Dinge zu erkennen.

Die gesprächsorientierte Methode: Man setzt sich mit den Eltern an einen Tisch und schildert ihnen die Gemütslage inklusive aller Probleme und Problemchen und erklärt ihnen dann, warum die gemeinsame Zukunft eher mager ausschaut. Nachteil: Mit Eltern über Gefühle zu sprechen ist nicht jedermanns Sache.

Überraschenderweise (?) lassen sich sowohl die Grundkonstellation als auch die Lösungsvarianten auf Scheidungs- und sonstige Trennungswillige übertragen, einfach „die Eltern“ durch „den Freund“ / „die Freundin“, bzw. „die Frau“ / „den Mann“ ersetzen.

Und was die Geschichte mit meinen Eltern angeht: Ich fühle mich zur dialogorientierten Variante hingezogen, erstens, weil ich so mit ihnen „Freunde bleiben“ kann, und zweitens somit die Chance auf zukünftiges bekocht Werden weiterlebt.

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